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Weltfrauentag: Zeit, auch im Sport über Tabus zu sprechen

Der Weltfrauentag steht für Gleichberechtigung, Sichtbarkeit und den Kampf gegen alte Strukturen – nicht nur in Gesellschaft und Wirtschaft, sondern auch im Leistungssport. Während Sportlerinnen auf höchstem Niveau Höchstleistungen erbringen, bleibt ein essenzielles Thema oft unbeachtet: die Menstruation. Noch immer wird sie im Profisport kaum thematisiert, obwohl sie Trainingspläne, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden maßgeblich beeinflussen kann. Anlässlich des Weltfrauentags ist es an der Zeit, dieses Tabu zu brechen und über die Herausforderungen zu sprechen, die Athletinnen tagtäglich meistern – auf und neben dem Spielfeld.

Im Leistungssport wird jedes Detail optimiert – von der Trainingssteuerung bis zur Ernährung. Doch ein entscheidender biologischer Faktor wird oft vernachlässigt: der Menstruationszyklus. Die hormonellen Schwankungen, die ihn steuern, beeinflussen nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die Leistungsfähigkeit von Athletinnen. Der Zyklus lässt sich in vier Phasen unterteilen: Während der Menstruationsphase (ca. Tag 1–5) sind Östrogen- und Progesteronspiegel niedrig, die Gebärmutterschleimhaut wird abgestoßen, und viele Frauen empfinden Beschwerden wie Krämpfe oder Erschöpfung. In der anschließenden proliferaten Phase, der sogenannten Follikelphase (ca. Tag 1–13), steigt der Östrogenspiegel und es beginnt der Neuaufbau der Gebärmutterschleimhaut, was oft mit einem Anstieg der Energie und Belastbarkeit einhergeht. Um den Eisprung (ca. Tag 14–15) erreicht das Östrogen sein Maximum, gefolgt von der Lutealphase (ca. Tag 16–28), in der das Hormon Progesteron dominiert und den Körper auf eine mögliche Schwangerschaft vorbereitet. Bleibt diese aus, sinken die Hormonspiegel, und der Zyklus beginnt von vorn. Diese biologischen Prozesse haben direkte Auswirkungen auf die körperliche und mentale Leistungsfähigkeit – und dennoch wird darüber im Sport nur wenig gesprochen.

Trotz zunehmender wissenschaftlicher Erkenntnisse wird der Einfluss des Menstruationszyklus auf die sportliche Leistungsfähigkeit noch immer unterschätzt. Dabei zeigen Untersuchungen, dass sich die verschiedenen Phasen des Zyklus teilweise auf Kraft, Ausdauer, Regeneration und Verletzungsanfälligkeit auswirken können. Während einige Sportlerinnen kaum Einschränkungen wahrnehmen, erleben andere deutliche Veränderungen in ihrer Belastbarkeit. Diese individuellen Unterschiede machen es umso wichtiger, den Zyklus als biologischen Faktor in die Trainingssteuerung einzubeziehen und leistungsphysiologische Anpassungen zu ermöglichen.

Der Menstruationszyklus ist wie oben beschrieben durch charakteristische Schwankungen der weiblichen und männlichen Sexualsteroidhormone geprägt, deren Hauptfunktion in der Steuerung der Fortpflanzung liegt. Diese hormonellen Veränderungen betreffen jedoch nicht nur das Reproduktionssystem, sondern beeinflussen auch verschiedene physiologische Prozesse im Körper. So wirken sich die wechselnden Konzentrationen von Östrogen, Progesteron und Testosteron auf das kardiovaskuläre, respiratorische, metabolische, thermoregulatorische und neuromuskuläre System aus. Dabei können die einzelnen Sexualsteroidhormone antagonistisch, synergistisch oder additiv wirken und somit unterschiedlichste Reaktionen im Organismus hervorrufen. Auch externe Faktoren wie Schlaf, Stress und der Einsatz hormoneller Verhütungsmittel können die Zusammenhänge weiter komplizieren. Aufgrund dieser Vielschichtigkeit ist es schwierig, allgemeingültige Empfehlungen für das Training abzuleiten. Anstatt starrer Vorgaben erfordert eine sinnvolle Trainingssteuerung daher eine individuelle Herangehensweise, die persönliche Erfahrungen und zyklusbedingte Schwankungen berücksichtigt.

Bezüglich der sportlichen Leistungsfähigkeit zeigen Untersuchungen, dass in Sportarten mit intensiven anaeroben oder aeroben Belastungen sowie in Sportarten mit hohen Kraftanforderungen die kontraktilen Eigenschaften der Muskulatur während des Menstruationszyklus weitgehend unverändert bleiben. Wichtige leistungsdiagnostische Parameter wie die maximale Sauerstoffaufnahme (VO₂max), Laktatwerte unter Belastung, Plasmavolumen, Hämoglobinkonzentration, Belastungsherzfrequenz und respiratorische Messgrößen weisen keine eindeutige Zyklusabhängigkeit auf. Diese Ergebnisse legen nahe, dass Athletinnen in diesen Sportarten ihre Höchstleistung unabhängig vom Zykluszeitpunkt abrufen können.

Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass bestimmte leistungsbezogene Faktoren durchaus zyklusabhängig sein könnten. Eine Studie aus der Frauenfußball-Bundesliga zeigt beispielsweise, dass die maximale Ausdauerleistung in der Lutealphase im Vergleich zur Follikelphase signifikant niedriger ausfällt. In Bezug auf Schnellkraftleistungen wie Sprung- und Sprintfähigkeit konnten hingegen keine zyklusbedingten Unterschiede festgestellt werden. Auch kognitive Aspekte scheinen betroffen zu sein: Während der Menstruationsphase wurde eine erhöhte Impulsivität beobachtet, während psychische Faktoren wie Wettkampfwille und Trainingsmotivation um den Eisprung herum am höchsten zu sein scheinen.

Im Bereich der submaximalen Belastungen deuten Studien darauf hin, dass Sauerstoffaufnahme, Herzfrequenz und das subjektive Belastungsempfinden während moderater Dauerbelastungen weitgehend konstant bleiben. Allerdings weisen einige Untersuchungen auf eine erhöhte kardiovaskuläre Belastung in der mittleren Lutealphase hin. Besonders unter heißen und feuchten Umweltbedingungen kann sich dies negativ auf die Zeit bis zur Erschöpfung auswirken, da die ohnehin erhöhte Körperkerntemperatur in dieser Phase die thermoregulatorische Belastung verstärkt. 

Hinsichtlich zyklusbasierten Trainingsstrategien gibt es derzeit nur begrenzte wissenschaftliche Erkenntnisse. Erste Untersuchungen zum Krafttraining zeigen, dass eine periodisierte Trainingsplanung mit verstärktem Fokus auf die späte Follikelphase und die Ovulationsphase eine geringfügig, aber signifikant höhere Kraftzunahme bewirken könnte. In der späten Luteal- und frühen Follikelphase, insbesondere während der Menstruation, sollten hingegen weniger Belastungsspitzen gesetzt werden. Im Ausdauertraining gibt es bislang keine eindeutigen Hinweise auf zyklusabhängige Unterschiede in der Adaptation an Trainingsreize, weshalb eine zyklusspezifische Periodisierung aktuell nicht als notwendig erachtet wird. Dennoch sind weitere Studien erforderlich, um die bisher gewonnenen Erkenntnisse zu bestätigen und eine noch gezieltere Trainingssteuerung für Sportlerinnen zu ermöglichen.

Allgemein lässt sich also festhalten, dass es Hinweise auf eine leicht reduzierte Leistungsfähigkeit bei bestimmten leistungsbezogenen Faktoren in der frühen Follikelphase während der Menstruation gibt. Aufgrund der individuellen Unterschiede und der uneinheitlichen Studienlage wird jedoch empfohlen, einen personalisierten Ansatz zu verfolgen, der die individuelle Leistungsvariation über den Zyklus hinweg berücksichtigt. 

Autorin: Lea Quattländer

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